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04.02.2020

„Ich hoffe, dass sich etwas ändert! Nicht für mich, aber für unsere Kinder!

v. l.: Thea Hummel, Norman Voß, Theodor Rathgeber, Theo Hesegem, Jochen Motte, Irene Girsang; Foto: Brunhild von Local/VEM

Anlässlich der VEM-Menschenrechtsaktion „Für Menschenrechte indigener Völker“ lud die Vereinte Evangelische Mission am 3. Februar zu einem Fachseminar nach Wuppertal ein. Rund 40 interessierte Gäste waren zu dem Fachseminar gekommen.
„Seit vielen Jahren setzen sich Kirchen in der VEM-Gemeinschaft für die Rechte indigener Völker in Indonesien, den Philippinen, der Demokratischen Republik Kongo und in Botswana ein“, sagte Dr. Jochen Motte, VEM-Vorstandsmitglied und Leiter der Abteilung Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in seiner Begrüßungsrede. Die VEM unterstütze beispielsweise ihre Mitgliedskirche in Westpapua, Indonesien, dabei, die Rechte indigener Menschen, deren Land und Leben zu schützen. Das Bewusstsein, die Rechte und die Lebensräume indigener Völker zu schützen, sei zwar mittlerweile da, betonte Motte. Das derzeitige politische Weltklima jedoch bedrohe die Menschenrechte insgesamt und wirke sich insbesondere auf indigene Gemeinschaften aus, die mit Gewalt, Diskriminierung und Rassismus konfrontiert sind. Die VEM-Gemeinschaft halte das Thema seit vielen Jahren wach.
Dr. Theodor Rathgeber führte in die Rechte indigener Völker ein. Dort, wo der tropische Regenwald noch eine große zusammenhängende Fläche bedeckt, findet man noch hochsensible ökologische Systeme, sagte der Menschenrechtsexperte. Seit Jahrtausenden lebt dort eine Vielzahl indigener Völker mit und durch die Nutzung des Waldes. Ihr Anteil an der Weltbevölkerung beträgt rund fünf Prozent. Schätzungen zufolge leben rund 50 Millionen von ihnen in Afrika und 260 bis 290 Millionen in Asien. Der Lebensraum dieser Menschen ist bedroht – und das nicht erst seitdem der Amazonas brennt. Völkerrechtlich verbindlich ist die Konvention Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989, die indigenen Völkern verbindlich Rechte am angestammten Land zuspricht. Allerdings, wer sich nicht an das Recht halten wolle, der kann das auch. Die Rechte indigener Völker auf Waldgebiete würden von vielen Regierungen und der Wirtschaft nicht anerkannt. Deren Interessen würden grundsätzlich bevorzugt, wenn beispielsweise wertvolle Rohstoffe gefunden werden. „Um völkerrechtliche Regelungen, Menschenrechte durchzusetzen, braucht es aktive Leute. Man kann sich nicht allein auf die Gerichte und auf die Rechtseinrichtungen verlassen, sondern man muss sich organisieren, sich aktiv einbringen und mit anderen Leuten die Ziele verfolgen. Das ist eigentlich das Wesentliche. Sich auf Regierungen zu verlassen, bringt nichts. Da ist man verloren. Es gebe die Möglichkeit im kleinsten Kontext, Beschwerde einzureichen. Beispielsweise beim UN-Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker", rät der Menschenrechtsexperte vor allem den Kirchen. Die indigenen Völker hätten sich mit der Zeit Personen und Organisationen ausgesucht, die Menschenrechtsverletzungen nach New York oder Genf tragen. Dazu gehöre auch die Kirche.
Globale Einblicke in die Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung gab Norman Voß, Koordinator des Westpapua-Netzwerkes (WPN) und der International Coalition for Papua (ICP). WPN und ICP dokumentieren u. a. die Menschenrechtssituation mit Partnern vor Ort und machen Öffentlichkeitsarbeit. „Wir brauchen Aufmerksamkeit für diese vergessene Region. Papua braucht mehr Freunde und Unterstützer“, betonte Norman Voss. „Die Militäroperationen, die seit Dezember 2018 in Westpapua durchgeführt werden, haben einen neuen Negativ-Rekord mit über 240 zivilen Opfern erreicht. Diese Zahlen haben wir seit der Aufzeichnung noch nie gehabt.“ Die Eskalation im Hochland, wo eine ganze Region abgeschottet und von Militäroperationen bedroht sei, ist ein großes Problem, so Voß weiter. Eine andere wichtige neue Entwicklung seien die Antirassismus-Proteste. „Rassistische Beschimpfungen gegen Papua, die in den sozialen Medien gepostet wurden, führten zu großen Protesten und Aufständen. In Jayapura, in Wamena und anderen Städten kamen Tausende von Demonstranten zusammen. Gebäude wurden angezündet. Geschäfte geplündert. Das ist eine Entwicklung, aus der der Zorn, der Frust spricht, an dem die Menschen jetzt angekommen sind“, sagte Norman Voß. Das Westpapua-Netzwerk und das ICP haben aktuell einen umfassenden Menschenrechtsbericht herausgebracht, den man auf der Webseite herunterladen kann www.humanrightspapua.org/hrreport/2020.
Heute gehören diejenigen Menschen, die sich im Bereich Klima, Umwelt und indigene Völker für Menschenrechte engagieren, zu der höchstgefährdeten Gruppe an Menschenrechtsverteidigern. Theo Hesegem gehört dazu. Er gab an diesem Nachmittag einen ganz persönlichen Einblick in die Menschenrechtsverletzungen seiner ostindonesischen Heimat Westpapua. „Rassismus ist nur eines von vielen Problemen in Papua. Dieser Rassismus ist ein Ergebnis der schwierigen politischen Situation“, sagte der unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Direktor der Stiftung für Gerechtigkeit und Integrität der Papuas. Theo Hesegem hat viele, zu viele Beispiele von Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat. Er erzählt die Geschichte von Mispo Gwijangge. Der junge Mann wurde verhaftet, weil er angeblich für die Ermordung der 21 Straßenbauarbeiter Anfang Dezember 2018 in Nduga hauptverantwortlich gewesen sei. Es gab viele Probleme bei dem Fall: 24 Stunden wurde Mispo Gwijangge verhört ohne Rechtsbeistand, ohne Dolmetscher, obwohl er kein Indonesisch spricht; mittlerweile wurde er nach Jakarta verlegt, seine Familie ist darüber nicht informiert worden. Theo Hesegem und andere Menschenrechtsverteidiger haben sich dafür eingesetzt, dass Gwijangge wieder nach Westpapua verlegt wird, damit ihm dort der Prozess gemacht werden kann.
Und der Lösungsansatz für einen Frieden? „Ein Dialog zwischen den Konfliktparteien, der von einer unabhängigen Partei moderiert wird. Für die Regierung scheint dagegen der einzige Lösungsansatz zu sein, noch mehr Militär in Westpapua zu stationieren. Das wird keinen Frieden bringen“, so Hesegem. Es sei für Journalisten fast unmöglich, frei und unabhängig über Papua zu berichten. Umso wichtiger sei es, dass ausländische unabhängige Journalisten nach Papua kommen, um über die Menschenrechtsverletzungen zu berichten, betonte er. Doch das Versprechen Präsident Jokowis, Journalisten nach Papua einreisen zu lassen, habe er bis heute nicht eingelöst.
Zur Situation indigener Frauen haben Irene Girsang, Referentin für interregionale Frauenprogramme bei der VEM, und Thea Hummel, Assistentin im Westpapua-Netzwerk, einige Stimmen eindrücklich in einem Videoclip festgehalten. Wie zum Beispiel: „Das Land muss erhalten bleiben – für uns und unsere Kinder!“ Für diese Frau ist das Land die lebenspendende Mutter für ihre Kinder, ein Schutzort, an dem sich Frauen aufgehoben und sicher fühlen. Und dieses Land werde ihnen nun geraubt.
Wenn man über die Situation von indigenen Frauen in Papua spricht, muss man auch über das traditionelle „Noken“ sprechen. Das multifunktionale geknotete Netztragetuch aus getrockneter Baumrinde gehört zum kulturellen Erbe Westpapuas. Es wird meist von Frauen hergestellt. Einfach alles wird damit transportiert: die Früchte vom Feld, Brennholz, Schweine und Säuglinge. Manchmal wird das Noken auch benutzt, um die Brüste zu bedecken. Bei lokalen Wahlen dient es daneben schon mal als Wahlurne. Das zerrissene Noken ist ein Symbol für das Land, das ihnen geraubt wurde, für ihre Lebensidentität, ihren Selbstwert und für einen sicheren Ort der Kindheit. Und wenn ein Noken zerstört wird oder verloren geht, spüren die Frauen den Verlust. Dieses kulturelle Erbe ist für viele Frauen eine Voraussetzung für ihr Überleben angesichts der Gefahr. Es muss Veränderungen geben, darin waren sich alle Frauen einig: Regierung und Kirche müssten zusammenarbeiten, um das verloren gegangene Land an die Gemeinden, die Gesellschaft zurückzugeben, damit sie ein Leben mit der Hoffnung auf eine Zukunft haben. Eine Stimme brachte die aktuelle Problemlage auf den Punkt: „Ich hoffe, dass sich etwas ändert! Nicht für mich, aber für unsere Kinder!“

Online-Redaktion

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