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21.10.2020

Gleich vor Gott!

Späte Gerechtigkeit: Pastor Bokombe (Leiter der Cadelu-Kirche) auf einer Bank mit rassistischer Aufschrift im Anti-Apartheids-Museum "District Six" in Kapstadt, Südafrika. (Fotos: M.Pauly / VEM)

Der Vorstand der VEM, aufgenommen im März 2019.

Und viele Völker werden gehen und sagen: »Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg Gottes, zum Haus der Gottheit Jakobs, damit sie uns lehre ihre Wege und wir gehen auf ihren Pfaden, denn von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort Gottes von Jerusalem.« (Jesaja 2,2)

Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich (Galater 3,28)

 

Präambel

Die Ermordung des schwarzen US-Bürgers George Floyd durch einen weißen Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis, USA, hat zu einem erneuten weltweiten Aufschrei gegen Rassismus und zu der globalen Bewegung "Black Lives Matter" geführt.

Die VEM trägt mit ihren langjährigen Erfahrungen gemeinsamen Lebens in Unterschiedlichkeit und dem gemeinsamen Einsatz für Gemeinschaft und Gerechtigkeit zur aktuellen Diskussion bei. Die VEM versteht sich als eine Gemeinschaft, die in einem ständigen Prozess des Zusammenwachsens begriffen ist, hin „zu einer anbetenden, lernenden und dienenden Gemeinschaft, die Gaben, Einsichten und Verantwortlichkeiten teilt, alle Menschen zu Veränderung und neuem Leben aufruft und gemeinsam nach Gerechtigkeit, Frieden und der Bewahrung der Schöpfung strebt".(1)

Wir sind uns bewusst, dass es nicht nur in unseren einzelnen Gesellschaften und Kirchen, sondern auch in unserer Gemeinschaft vielfältige Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung gibt. Diese mögen sich auf unser Geschlecht, unsere wirtschaftlichen Lebensbedingungen, unsere jeweiligen politischen Kontexte, Religionen, unsere Gesundheit oder körperliche Erscheinung beziehen. Rassismus(2) verstehen wir als eine spezifische Form der Diskriminierung, die vielerlei Formen annehmen kann, sich aufgrund ihrer Geschichte bis in die Gegenwart auf Einstellungen, Handlungen, politische Entwicklungen und Systeme auswirkt, und die daher unsere besondere und dringende Aufmerksamkeit verlangt. 

Wir sind uns bewusst, dass niemand von uns, keine Kirche oder Organisation frei von Rassismus und von diskriminierenden Einstellungen und Handlungen ist. Deshalb schreiben wir diese Erklärung in Demut, als Menschen, die durch die Erfahrungen in der VEM bereichert wurden, aber auch ständig lernen. 

Diskriminierung aufgrund von Rassismus betrifft uns alle und unser ganzes Wesen

Jede und jeder ist Teil davon, sowohl diejenigen, die diskriminieren, als auch diejenigen, die diskriminiert werden. In der VEM-Gemeinschaft sind wir uns bewusst, dass wir alle auf unsere eigene Art und Weise von den vielfältigen Systemen der Ungerechtigkeit und Ungleichheit geprägt und beschädigt sind, nicht nur als Einzelne, sondern als ganze Gesellschaften, Nationen und als Menschheit insgesamt. Darüber zu sprechen bedeutet, über sensible Themen zu sprechen, die das Leben und die Persönlichkeit jedes und jeder Einzelnen betreffen. Diskussionen über Rassismus bringen individuelle Erfahrungen von Traumatisierung, Ausgrenzung, Wut und Verzweiflung an die Oberfläche – ebenso wie persönliche Stärkung durch Solidarität, Gemeinschaft oder die Erfahrung von Vergebung. Wir müssen die Erfahrungen, Gefühle und Grenzen jedes Einzelnen respektieren. Wir sind uns bewusst, dass Sensibilität, aber auch Klarheit erforderlich ist, und dass wir dort klare Linien ziehen müssen, wo dies im Kampf gegen Rassismus notwendig ist.

Es gibt vielfältige Formen der Diskriminierung

Diskriminierung und Rassismus sind sehr komplexe Phänomene. Jede und jeder von uns übt Diskriminierung aus, und jeder und jede von uns sind gleichzeitig von ihr betroffen. Man kann in einem Umfeld diskriminiert werden und in einem anderen Umfeld Teil einer Gruppe sein, die andere diskriminiert - alles zur gleichen Zeit. Verschiedene Formen der Diskriminierung dürfen nicht nivellierend gegeneinander aufgewogen werden. Wir müssen uns zwar bewusst sein, dass Rassismus und Diskriminierung überall anzutreffen sind, aber wir müssen klar anerkennen, dass das Erbe, die Geschichte und die Gegenwart bestimmter konkreter Formen der Diskriminierung und des Überlegenheitsdenkens - z.B. von Weißen oder Männern - verheerende und lang anhaltende Auswirkungen auf bestimmte Gruppen von Menschen hatten und immer noch haben. Während wir die Komplexität und Omnipräsenz von Diskriminierung und Rassismus respektieren, müssen wir (selbst-)kritisch in jedem einzelnen Kontext ihre tatsächlichen und konkreten Realitäten anerkennen. 

Versteckte Diskriminierung und Rassismus 

Diskriminierung und Rassismus äußern sich nicht nur in bewussten Handlungen, sondern auch unbewusst. Sie können in vermeintlich wohlmeinenden, aber bevormundenden Haltungen versteckt sein oder in der Weigerung, das Vorhandensein von Diskriminierung und Rassismus überhaupt zu akzeptieren. Versteckte Formen von Diskriminierung und Rassismus können noch schwieriger zu entdecken, zu enthüllen und zu bekämpfen sein. Kirchen, Gemeinden, Missionsvereine und Glaubensgemeinschaften - und wir alle in der VEM - sind aufgerufen, unsere eigenen Einstellungen, Systeme und Handlungen sowie unsere - bewussten und unbewussten - Prozesse des "Othering", die diskriminierende Auswirkungen haben und zu Unterdrückung und Ungerechtigkeit führen, selbstkritisch zu reflektieren.

Rassismus wurzelt in Haltungen menschlichen Überlegenheitsdenkens

Vorstellungen von Überlegenheit sind tief in unseren Denk- und Wissenssystemen verwurzelt, z.B. in Philosophien, theologischen oder politischen Überzeugungen. Sie sind durch Bildungssysteme und falsche theologische Interpretationen breit und systematisch umgesetzt, weitergegeben und gerechtfertigt worden. Solche Haltungen spielten eine entscheidende Rolle bei der Ermöglichung von Sklaverei und Kolonialismus, aber sie sind bis heute in verschiedenen Regionen und Kontexten lebendig. Sie haben uns alle geprägt, und ihre Überwindung erfordert ständiges Nachdenken und Handeln. 

Das Nachdenken über die Geschichte und die Gegenwart weißen Überlegenheitsdenkens muss Teil jeder Aktion gegen Rassismus sein, in welcher Form auch immer er in verschiedenen Teilen der Welt auftritt.

Rassismus und Diskriminierung werden auf unterschiedliche Weise legitimiert

Rassismus und Diskriminierung werden durch Nationalismus, Ethnizität, Kultur, Religion, durch den sogenannten gesunden Menschenverstand oder traditionelle Werte legitimiert. In vielen Ländern missbrauchen populistische, extremistische und rechtsextreme Parteien Herkunft, Hautfarbe, religiöse Identitäten oder ethnische Beziehungen, um diskriminierende Praktiken und Gesetze zu fördern und zu rechtfertigen, und um Menschen zu spalten, Hass zu verbreiten und die Vormachtstellung einiger über andere zu untermauern. Solche Legitimationen müssen aufgedeckt und abgebaut werden - durch Forschung, öffentliche Kommunikation und Proteste sowie in Einzelgesprächen und Begegnungen. 

Wirtschaftliche Ungerechtigkeiten sind sowohl Ursache als auch Wirkung von Rassismus und Diskriminierung

Es ist unmöglich, gegen Formen der Diskriminierung und des Rassismus zu kämpfen, ohne die globalen und lokalen wirtschaftlichen Ungleichheiten und ihre Auswirkungen anzugehen. Gleichzeitig ist es unmöglich, wirtschaftliche Ungerechtigkeit zu bekämpfen, ohne die Machtverhältnisse zu betrachten, die als Instrumente zur Aufrechterhaltung von Ungleichheiten und Ausbeutung eingesetzt werden. Jeder Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung muss mit dem Kampf für Gerechtigkeit und Gleichheit verbunden sein. Wir müssen zum Beispiel die Ressourcen, die der südlichen Hemisphäre genommen werden, mit der ausländischen Hilfe vergleichen, die diesen Ländern gewährt wird, und uns für einen gerechteren Austausch engagieren.

Diskriminierung und Rassismus wirken durch politische Marginalisierung

Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, werden politisch marginalisiert. Ihnen wird kein uneingeschränkter Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten usw. gewährt. Sie werden daran gehindert, sich im politischen Diskurs ihrer Gesellschaften Gehör zu verschaffen. Diese Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung werden sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen innerhalb von Gesellschaften oder Regierungen ausgeübt, die diskriminierende Gesetze nicht abschaffen, rassistische Diskriminierung nicht sanktionieren und bestrafen oder gar diskriminierende Regeln einführen.

Durch Gottes Vision zum gemeinsamen Kampf befähigt

Wir bekennen, dass Theologie missbraucht wurde und immer noch missbraucht wird, um Diskriminierung und Rassismus zu rechtfertigen. Dies prangern wir kritisch und selbstkritisch an. Wir vertrauen auf 

  • Gottes Gnade. Wir alle haben Gottes Gnade empfangen und sind in unserer Gemeinschaft gleich. Dieser grundlegende Glaube stellt alle globalen Ungleichheiten, in denen wir leben, in Frage.

  • Gemeinschaft als Gottes Geschenk. Unsere Gemeinschaft kann nicht allein von uns selbst aufgebaut werden, sie ist nicht durch uns verfügbar. Um sie aufrechtzuerhalten und zu pflegen, sind wir auf gemeinsames Gebet, Bibelstudium und Austausch angewiesen.

  • Vergebung und Befreiung. Wir sind uns bewusst, dass wir aufgrund unserer menschlichen Natur alle von Sünde geprägt sind. Wir bekennen, dass alle Formen von Rassismus und Diskriminierung Sünde vor Gott sind und Buße und Befreiung brauchen. Gottes Vergebung befähigt uns, jeden Tag neu mit unserem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zu beginnen, sowohl in uns als auch um uns herum.

  • Unsere Berufung, prophetisch zu sprechen und zu handeln. Wir sind gesandt, Grenzen zu ziehen und uns gegen Ungerechtigkeit und Gewalt auszusprechen. 

  • Unsere Berufung zu dienen. Wir arbeiten mit Nichtmitgliedern, Menschen anderen Glaubens, globalen und lokalen sozialen und politischen Akteuren und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen. 

  • Einheit in Vielfalt (1. Kor. 12, 12-31). Unser Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung ist motiviert und verwurzelt in den biblischen Visionen von der Einheit und die Fülle des Lebens. 

VEM-Identität: Eine anbetende, lernende und dienende Gemeinschaft

Die Satzung der VEM von 1996 sieht die VEM in einer "zerrissenen Welt". Diese Beschreibung gilt bis heute. Die Umstrukturierung der VEM im Jahr 1996 von einer Missionsgesellschaft mit Sitz in Deutschland zu einer internationalen Gemeinschaft von Kirchen zielte darauf ab, Rassismus und Diskriminierung zu überwinden und eine Struktur zu schaffen, die Einheit und gemeinsames Wachstum fördert. Wir haben gelernt, dass wir gemeinsam Orientierung finden können, wenn wir unsere Perspektiven teilen, austauschen und erweitern und andere, manchmal entfernte oder fremde Perspektiven, zulassen. Wir haben uns verpflichtet, Privilegien und Komfortzonen aufzugeben, um uns weiter zu einer treuen und zuverlässigen Gemeinschaft hin zu verwandeln.

Weiter gemeinsam auf dem Weg in der Mission: Globales Lernen in ökumenischer Perspektive (GLEP)

Die VEM ist eine Organisation, die ständig lernt und evaluiert. Unser Ziel ist es, Denkmuster von "wir hier" und "sie dort" zu vermeiden. Der Prozess "Globales Lernen in ökumenischer Perspektive" strebt eine noch stärkere und deutlichere Internationalisierung und Diversifizierung aller Dimensionen der VEM an. Die Mitglieder sind aufgerufen, die Arbeit der VEM gemeinsam zu planen, zu organisieren, personell zu besetzen, zu strukturieren, zu kommunizieren, zu finanzieren und weiterzuentwickeln. 

Wir wollen die Themen Diskriminierung und Rassismus in bestehende Diskussionen einbringen, in international zusammengesetzten und vielfältigen Teams arbeiten und die Erfahrungen aus verschiedenen Kirchen weltweit nutzen. Darüber hinaus wird die VEM Fragen von Rassismus und Diskriminierung in globalen und lokalen Programmen entsprechend den Bedürfnissen ihrer Mitglieder thematisieren.

Dass alle eins seien!

Statement des Vorstands, Oktober 2020

 

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(1) UEM Legal Text 2018 § 2

(2)The Oxford English Dictionary (Second edition 1989) defines racism as “The theory that distinctive human characteristics and abilities are determined by race.” It equals it to racialism, defined as the “belief in the superiority of a particular race”. TheUN issued its “Declaration on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination” in 1963.

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