25.10.2013
18 Studierende besuchten im Rahmen des Ecumenical Leadership Trainings (ELT) vom 10.-13. Oktober Brüssel. Das Programm ist ein Modul der Langzeitfortbildung für junge Erwachsene, die an den Themen Mission, Ökumene, Spiritualität, Konfliktmanagement, Projektmanagement sowie Führen und Leiten im internationalen Rahmen interessiert sind. Viele Teilnehmende kennen die VEM bereits über ihren Freiwilligendienst und sehen das ELT als eine Möglichkeit ihre Kompetenzen weiter auszubauen. „Bei der Reise nach Brüssel, geht es darum, dass die Teilnehmenden erfahren, welche Macht und Einflussmöglichkeiten es in der Europäischen Union gibt“, so Ulrich Suppus (Amt für Jugendarbeit EKiR), der gemeinsam mit Joane Beuker (CMLS/VEM) die Langzeitfortbildung leitet.
Wie in Brüssel Politik gemacht wird und was beispielsweise der Unterschied zwischen einer Verordnung und einer Richtlinie ist, erzählte Monika Schubert-Jung, Mitarbeiterin des Abgeordneten Norbert Neuser, der unter anderem Mitglied im ständigen Ausschuss für Entwicklung ist.
Das zentrale Thema der Reise war „Migration“. Dr. Moritz, der Geschäftsführer der CCME (Churches` Commission for Migrants in Europe) glaubt nicht daran, dass sich nach der letzten Katastrophe in Lampedusa etwas ändern wird. Manchmal frage er sich, warum er die Arbeit mache. Europa müsse sich vor allen Dingen bewegen im Bereich der Arbeitsmigration. Viel zu wenige Möglichkeiten gebe es, in Europa ein Arbeitsvisum zu bekommen.
Die Juristin Carmen Dupont, die die europäische Kampagne für Migration bei Amnesty International (AI) koordiniert, erklärt, wie sich AI erfolgreich dafür einsetzte, dass die griechische Regierung Menschen auf den Boote nicht einfach zurückschippern darf nach Algerien, wo sie losfuhren. So genannte push-backs können für die migrierenden und flüchtenden Menschen Bestrafungen durch ihrer Heimatländer nach sich ziehen. Gleichzeitig konnte AI aber leider auch nachweisen, dass die Regierungen andere Wege finden, um die Grenzen der EU undurchlässig zu halten. So bezahle nun die griechische Regierung die algerische dafür, dass sie selbst die Grenzen kontrollieren und die Boote zurückweisen. Wenn in Brüssel Politik gemacht wird, geht es stark um Gesetzgebungen und Rechtslagen. Einzelne Schicksale verschwinden hinter den juristischen Grundlagen und Formeln. Mit ihrer Kampagne rückt AI die Schicksale einzelner Personen ins Zentrum (www.whenyoudontexist.eu), was betroffen macht, und dadurch Aufmerksamkeit weckt.
Nach den Begegnungen reflektieren die Teilnehmenden der Langzeitfortbildung ihre eigenen Einflussmöglichkeiten. Jessica Schuhkraft beispielsweise erzählt, dass sie ihr Praxissemester - beim Fraueninformationszentrum in Stuttgart (FIZ) macht. Dort begleitet sie Migrantinnen unter anderem bei ganz alltäglichen Dingen. „Manchmal geht es darum, Socken zu kaufen und ganz alltägliche Dinge zu erledigen.“ Es sei ganz einfach, wenn man Zeit und Lust habe sich einzubringen. Christin Rockenbach zeigt, dass die Diskussion in Brüssel in Zusammenhang steht mit dem Geschehnissen vor der eigenen Haustür. So gab es in ihrem Studienort Mainz eine Diskussion, wo Menschen, die Asyl suchen, untergebracht werden sollten. Sehr eindrücklich zeigte sie anhand von Dokumenten von ProMainz, wie subtil Politik gemacht wird, indem beispielsweise Asylbewerberinnen mit Obdachlosen verglichen werden. Mirijam Overhoff hat ihr Freiwilligenjahr mit der VEM bei der UCCP auf den Philippinen gemacht, wo sie in Berührung mit Migrant Worker kam. Die UCCP hat einen Schwerpunkt in der Arbeit mit Migranten und Migrantinnen. Viele Menschen aus den Philippinen arbeiten im Ausland. Heute beschäftigt sich Mirjam Overhoff in ihrer Masterarbeit mit der Frage, wie sich die Aufgeben und Wohnverhältnisse älterer Menschen ändern, weil viele der jüngeren Generation im Ausland leben und arbeiten. Eine weitere Mitgliedskirche der VEM, die Chinese Rhenisch Church (CRC) in Hongkong erlebt die Migrationsbwegung von der anderen Seite. Sie macht unter andrem Programme für Migrantinnen, die in Hongkong leben und im Niedriglohnsektor arbeiten.
„In Europa müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass Migration und Flucht die Ausnahmen sind. Zurzeit gibt es wenige Orte in Europa, die massiv überlastet sind von Migrations- und Flüchtlingsströmen,“ so Dr. Moritz. Europa sei keine Insel der Seligen. Syrien liege nur 80 Kilometer von der Europäischen Grenze entfernt und es sei erstaunlich, wie wenig das Europa beeinflusse.“ Weiterhin sieht Dr. Moritz Migration als einen „Normalfall“ an und Sesshaftigkeit als eine Ausnahme. Schließlich hätten „Menschen Beine und nicht Wurzeln wie Bäume.“
Auch wenn nicht alle Teilnehmenden des ELT Zeit und Kraft haben, sich in die Migrations- und Flüchtlingsarbeit einzubringen, gehen sie ermutigt nach Hause. Unter anderem nehmen sie mit, dass die Kirchen sich nicht verstecken müssen. Die Kirchen gehören zu den wenigen Akteuren, die ihre Stimme erheben für flüchtende Menschen und Menschen die langfristig an einem anderen Ort leben. Dazu seien Christen und Christinnen auch beauftragt. So lernen wir bereits von Abraham Gastfreundschaft. Er bewirtet die drei Fremden, ohne zu wissen, woher sie kommen und was sie wollen. (1. Mose 18).