04.07.2018
Es sind 24 Jahre her, dass in Ruanda ein grausamer Völkermord tobte. Ruanda hat viel dafür getan, dass die Menschen wieder sicher in ihrem Land leben können. Die Wirtschaft, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser sind wieder aufgebaut worden und das Zusammenleben funktioniert in der Regel gut. Gleichzeitig wird durch Gedenkstätten wie das Genozide Memorial in Kigali die Erinnerung an den Völkermord wach gehalten.
Innerliche Traumaleiden von außen kaum sichtbar
Von außen betrachtet sind die Wunden in Ruanda verheilt, doch innerlich leiden noch viele Menschen an den Folgen des Traumas, den der Völkermord in ihrem Leben verursacht hat. Viele junge Erwachsene, die als Kinder den Tod ihrer Eltern und Geschwister erlebt haben und in unsicheren Verhältnissen aufgewachsen sind, fragen sich wie sie vertrauensvolle Partnerschaften eingehen können und für ihre Kinder ein sicheres Zuhause zu schaffen. Das ist nicht leicht. Denn unter der Fassade des alltäglichen Lebens quälen die Menschen Fragen wie diese: Wie kann man über Gefühle von Angst und Panik sprechen, die immer wieder hochkommen, wenn man bestimmte Bilder sieht oder Geräusche hört? Wie kann man Vertrauen zu anderen Menschen fassen, wenn man erlebt hat, dass die besten Freunde oder Nachbar den Mördern das Versteck der Familie verraten haben und alle Familienmitglieder getötet worden sind? Wie können die Gefühle der Schuld überwunden werden, wenn man der einzige Überlebende der Familie ist? Sind die Menschen, die Panikattacken bekommen, schreien oder hemmungslos weinen von einem bösen Dämon besessen oder ist dies ein Flash back einer traumatischen Situation?
Seelsorgerische Ausbildung der Pastorinnen und Pastoren ist essentiel
Mit diesen und vielen anderen Problemen werden die Pastoren und Pastorinnen der ruandischen Kirchen in ihren Gemeinden konfrontiert. Es sei keine leichte Aufgabe, Menschen mit Traumafolgen zu beraten und seelsorgerlich zu begleiten, so Pastorin und Psychotraumafachberaterin Dr. Katharina Kleine Vennekate. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass angehende Pastoren und Pastorinnen auch in der Beratung von Menschen ausgebildet werden, die unter den Traumafolgen leiden.“ Kleine Vennekate weiß wovon sie spricht, denn sie berät als Psychotraumafachberaterin in der Lippischen Landeskirche seit zwei Jahren geflüchtete Menschen mit Traumaerfahrungen. Mit ihrem Fachwissen und Erfahrungen im Gepäck reiste sie für 5 Wochen im Auftrag der VEM nach Ruanda. Sie unterrichtete Theologiestudierende an der Protestant University of Ruanda in Butare/ Huye das Fach Seelsorge und Traumaberatung. „Mir hat die Zeit in Ruanda sehr gefallen. Die Studierenden waren sehr offen für die Unterrichtsinhalte. Gerne haben sie die Beratungstechniken unter sich ausprobiert, eingeübt und dann reflektiert. Das war für alle Seiten spannendes Neuland. Für die Studierenden und auch für mich, da ich nicht einschätzen konnte, ob und wie die in der westlichen Kultur entwickelten Beratungsformen im Kontext eines afrikanischen Landes hilfreich sind. Auch beeindruckt es mich sehr wie die Spiritualität in den Gemeinden eine wichtige Ressource ist, um Traumata zu überwinden. Diese Ressource gilt es zu stärken.“ Viele positive Rückmeldungen hat Dr. Katharina Kleine Vennekate für ihre Lehrtätigkeit erhalten.
Methoden der Traumaberatung
Auch suchte sie Kontakt zu Organisationen, die bereits Beratungen für traumatisierte Menschen in Ruanda anbieten. So besuchte sie die Koordinatorin für das Gender, HIV und Counseling Programm des Council of Protestant Churches of Rwanda Frau Jael Nirere in Kigali, die die Schulung von Beratern und die Beratung von traumatisierten Menschen in den Kirchen koordiniert und durchführt. In Butare lernte sie das Frauenprojekt Family Circle Love Lab Organization kennen, das sich für die Unterstützung und Beratung von Frauen mit Gewalterfahrungen einsetzt. Die Leiterin, Frau Dative Nakabonye, arbeitet u.a. in ihrem Projekt mit den Methoden der Traumaberatung und zeigte bei ihrem Vortrag im theologischen Seminar eindrucksvoll, wie die Methoden der Traumaberatung und -begleitung in Ruanda den angehenden Pastoren und Pastorinnen in ihrer Seelsorge helfen können. Dr. Katharina Kleine Vennekate ist Theologin und Dipl.-Sozialpädagogin und in der Lippischen Landeskirche beschäftigt. Text: Online-Redaktion