28.01.2015
Sind Menschenrechte universell gültig? Sind sie nur eine Erfindung der westlichen Welt? Sind Kirchen wirklich immer Anwälte der Menschenrechte? Und was passiert, wenn traditionelle Werte der universellen Gültigkeit entgegenstehen? Eine Vielzahl von Fragen sind heute beim Seminar "Traditionelle Werte versus Universale Rechte" aufgetaucht. Zu der Veranstaltung hatten der Koordinierungsausschuss ökumenischer Frauenarbeit und der Ausschuss für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Vereinten Evangelischen Mission gemeinsam eingeladen.
Relativierung der Menschenrechte
Dr. Jochen Motte, Leiter der Abteilung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der VEM, wies auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 hin, die bis heute Grundlage aller Menschenrechtsdiskussionen sei. Immer wieder gebe es aber Versuche, diese umzudeuten, berichtete Motte, etwa durch bestimmte islamische Staaten, die die individuelle Religionsfreiheit in einen Schutz der Religion vor Verunglimpfung umdeuten wollten.
Christliche Kirchen nicht immer Anwalt der Menschenrechte
Ein relativ neuer Versuch bestehe darin, die Menschenrechte nur dann für gültig zu erklären, wenn sie nicht traditionellen Werten entgegenstünden - ein Versuch nicht von islamischen Staaten, sondern von Ländern unterschiedlicher religiöser Prägung wie Russland, Bolivien und Sri Lanka. Christliche Kirchen spielten dabei durchaus eine Rolle, so Motte. "In der Diskussion um die Werte des Islam müssen wir uns bewusst sein, dass innerhalb der christlichen Religion und Tradition ähnlich motivierte Vorbehalte gegenüber den Menschenrechten als Ausdruck westlichen Werteimperialismus bestehen." Natürlich müsse man die traditionellen Werte ernst nehmen und die Diskussion darüber nicht verweigern, so Motte: "Eins darf aber dabei nicht zur Disposition gestellt werden: Die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte."
Auch in Deutschland Defizite
Dass es auch in der westlichen Welt Defizite bei der Umsetzung dessen gebe, betonte Dr. Daniel Legutke vom Referat Menschenrechte der Deutschen Kommission Justitia et Pax. Selbst in Deutschland gebe es bisher keine Möglichkeit, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte individuell einzufordern. Legutke sah auch Chancen in den traditionellen Werten: "Auch wenn sie weltweit oft im Konflikt mit den universellen Menschenrechten stehen, sind sie manchnal auch hilfreich, um Menschenrechten zur Durchsetzung zu verhelfen." Er nannte als Beispiel Versuche in Sambia, mit Hilfe von traditionellen Sprichworten Bewusstsein für Kinderrechte zu schaffen.
Globale Aufgabe
Auch bei den anschließenden Diskussionen wurde deutlich, dass die Durchsetzung von Menschenrechten eine globale Aufgabe ist. Dr. Anthea Bethge und Dr. Siegfried Zöllner berichteten von ihrer Arbeit in Tansania und West Papua, von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat und den Versuchen, ganz konkret vor Ort die Verhältnisse zu verändern. Auf der anderen Seite machten auch VEM-Mitarbeitende mit Wurzeln in Afrika und Asien ihre differenzierte Erfahrungen mit Deutschland deutlich. Auf der einen Seite seien Menschenrechte in Deutschland rechtlich umgesetzt. Auf der anderen Seite stünden die persönlichen Erfahrungen: "Wo sind hier die Menschenrechte?", habe er sich gefragt, als er am Bahnhof wegen seiner Hautfarbe verbal angegriffen wurde und niemand etwas dagegen sagte, berichtete Ipyana Mwamugobole, Studienleiter im Centre for Mission and Leadership Studies der VEM. Und gebe es in Deutschland eine wirkliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, etwas bei der Haushaltsführung? Irene Girsang, Frauenreferentin bei der VEM, rief in Erinnerung, dass etwa die rechtliche Gleichstellung der Frau in Deutschland noch nicht Jahrhunderte alt sei. "Es ist noch gar nicht so lange her, dass Frauen in der evangelischen Kirche keine Pfarrerinnen werden durften."
Möglichkeiten zu handeln
"In einer offenen Gesellschaft wie unserer gibt es zum Glück Möglichkeiten, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken", sagte Dr. Jochen Motte - über gerichtliche Wege, Beschwerdestellen oder Nichtregierungsorganisationen, die sich anwaltschaftlich für andere einsetzen. Es sei aber die Aufgabe aller, diese Möglichkeiten anzusprechen und wahrzunehmen.