25.03.2015
Am gleichen Wochenende, an dem in Wuppertal Salafisten, Pegida und Hooligans auf die Straße gingen, um gegeneinander zu demonstrieren, begann auf dem "Heiligen Berg" in Wuppertal die 42. Internationale Tagung zum Dialog von Juden, Christen und Muslimen. Vom 16. bis zum 22. März tagte die JCM-Konferenz im Internationalen Gästehaus. Die insgesamt 43 Teilnehmenden aus den drei abrahamitischen Religionen setzten durch ihre Bereitschaft zur Auseinandersetzung ein klares Zeichen gegen wechselseitige Ausgrenzung.
Solidarität und Widerspruch
Sieben Tage lang tauschten sie sich zum Tagungsthema "Solidarität und Widerspruch" aus. Jeweils ein Vortrag aus jüdischer, christlicher und muslimischer Perspektive steckte die Reichweite des Themas ab. Rabbiner Mark Solomon vom Leo-Baeck-College in London verdeutlichte die Notwendigkeit von Kontroversen innerhalb religiöser Gemeinschaften, indem er in ungewöhnlicher Offenheit seinen persönlichen Werdegang schilderte. Als einen "Tanz zwischen Solidarität und Widerspruch" beschrieb er die Spannung zwischen "Gleichheit und Unterschiedlichkeit, Dazugehörigkeit und Individualität."
Kultur des Widerspruchs
Im Blick auf den Islam äußerte Jabal Buaben, Islamwissenschaftler aus Brunei, bei einigen sei der Eindruck entstanden, "als ob sich jeder einer bestimmten Art und Weise Dinge zu tun, anpassen muss, und dass die Leute zur Ordnung gerufen werden müssen, wenn sie widersprechen." Demgegenüber argumentierte er, dass sowohl der Koran als auch die islamische Überlieferung darin übereinstimmten, "dass Allah dem Menschen die volle Fähigkeit gegeben habe zu wählen. Dem Menschen diese Fähigkeit zu versagen, ist daher diametral dem entgegengesetzt, was der Koran und die Überlieferung vorschreiben." Wie sehr eine "Kultur des Widerspruchs" allen drei Religionen wesentlich ist, wurde auch in weiteren Beiträgen der evangelischen Pfarrerin Heike Rödder und der Islamwissenschaftlerin Halima Krausen deutlich.
Musikalischer Austausch
Im Rahmen verschiedener "Speakers' Corners" hatten Teilnehmende die Gelegenheit, über interreligiöse Forschungsvorhaben und Studienprozesse zu berichten. Projektgruppen ermöglichten intensiven Austausch über "Texte des Widerspruchs" und über Reformprozesse innerhalb der verschiedenen Religionsgemeinschaften. Unter der inspirierenden Anleitung der jüdischen Musikerin Judith Silver erkundete eine Gesangsgruppe jüdische, christliche und islamische Gesangstraditionen. Zum Wochenende hin luden die auf der Tagung vertretenen Religionsgemeinschaften zu ihren jeweiligen gottesdienstlichen Feiern, von einem christlichen Taizé-Gebet und einer Sufimeditation über das muslimische Freitagsgebet und die jüdische Sabbatfeier bis hin zum christlichen Gottesdienst am Sonntag. Interreligiös zusammengesetzte Gesprächsgruppen setzten sich über die Dauer der gesamten Tagung in außergewöhnlich direkter und persönlicher Weise mit allem Gehörten und gemeinsam Erlebten auseinander.
Internationale Gäste
Einen besonderen Akzent erhielt die diesjährige Tagung durch die Teilnahme jeweils eines Christen und einer Muslima aus Tansania und aus Indonesien. Chediel Sendoro, Shamim Daudi, Shafa Elmirzana und Bambang Ruseno waren auf Einladung der VEM gekommen. In beiden Ländern leben die Angehörigen verschiedener Religionen oft unter einem Dach zusammen. "Religionskonflikte finden zwischen Blutsverwandten statt. Weil wir in unseren Familien aber aufeinander angewiesen sind, müssen wir uns so lange miteinander auseinandersetzen, bis wir Lösungen für ein Miteinander in Verschiedenheit finden," so Sendoro. Jabal Buaben knüpfte bei einer Veranstaltung in der Citykirche in Elberfeld nach Abschluss der Tagung an diese Erfahrung an: "Wenn wir glauben, dass sich der
eine Gott nicht eine Menschengruppe X und eine Menschengruppe Y erschaffen hat, sondern die
eine Menschheit, werden wir lernen müssen, uns die
eine von ihm erschaffene Welt zu teilen und bei allen Unterschieden miteinander zu leben."
Gegenseitiger Respekt
JCM ist aufgrund der außergewöhnlich direkten und persönlichen Art der Auseinandersetzung unter den Angehörigen der drei abrahamitischen Religionen zu einer Bewegung geworden, die weltweit Nachahmung gefunden hat. JCM-Teilnehmenden sind in der akademischen Lehre, in Leitungspositionen oder als engagierte Mitarbeitende in ihren jeweiligen Religionsgemeinschaften tätig. Durch ihren persönlichen Einfluss leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung, gegenseitigem Respekt und gemeinsamem gesellschaftlichem Engagement der verschiedenen Religionen. Seit elf Jahren ist die VEM Gastgeberin der JCM-Konferenzen. Die diesjährige Tagung wurde finanziell durch Mittel des Bundesministeriums des Innern, Kulturfondsmittel des Auswärtigen Amts und durch das Ev. Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe unterstützt.