03.03.2021
Eine Landschaftsszene im Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo (Foto: Mutuyimana Eric Ibrahim/VEM)
Das Ökumenische Netz Zentralafrika (ÖNZ) ist tief besorgt über die sich verschlechternde Sicherheitssituation im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK). Allein zwischen Juli und Dezember 2020 wurden in Nord-Kivu mehr als 468 Menschen ermordet. Im Februar 2021 kamen bei Rebellenangriffen in und um die Stadt Beni Dutzende Menschen ums Leben. Bei einem Überfall in der Nähe von Goma wurden am 22. Februar 2021 bei einer Fahrt zu einem Hilfsprojekt der italienische Botschafter, sein Leibwächter und sein Fahrer getötet.
Auf dem Hintergrund dieser Situation hat das ÖNZ, dem die VEM seit dessen Gründung vor bald 20 Jahren angehört, am 2. März 2021 ein virtuelles Expertengespräch durchgeführt, in dem Vertreter und Vertreterinnen aus der Kivu-Region in der DRK über die desolate Situation berichteten.
Über 130 bewaffnete Gruppen operieren im Osten des Kongo, wo um die Herrschaft über Land und Rohstoffe gerungen wird. Opfer der Konflikte sind vor allem die Zivilbevölkerung, Frauen und Kinder, die zur Flucht gezwungen, Opfer sexualisierter Gewalt und Morden werden. Staatliche Sicherheitskräfte werden mitverantwortlich gemacht für anhaltende Unsicherheit und Gewalt. Die politische Krise in der Hauptstadt Kinshasa trägt wesentlich mit dazu bei, dass es keine wirkungsvolle Strategie zur Stabilisierung des Landes gibt. Auch die MONUSCO, die weltweit größte Friedensmission der Vereinten Nationen mit über 18.000 Blauhelmsoldaten, ist nicht in der Lage, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.
Fred Bauma von der Congo Research Group / LA LUCHA und Odile Bulabula von der Organisation RIO bezeichnen die Lage im Osten des Kongo als katastrophal. Für die Bevölkerung gibt es keine Sicherheit. Es gibt viele Waffen in der Region. Kinder werden als Soldaten von den verschiedenen Milizen rekrutiert. Viele Straßen sind nicht gesichert. Vetternwirtschaft und Korruption behindern jede Entwicklung. Staatliche Institutionen und deren Vertreter*innen sind oftmals korrupt, u.a. aufgrund unzureichender Entlohnung. Gewalt ist alltäglich. Kriminalität und Werteverfall prägen die Gesellschaft.
Für Bulabula ist es nicht nachvollziehbar, dass die internationale Gemeinschaft, die in der Region präsent ist, so wenig ausrichten kann. Eine Mitverantwortung für anhaltende Gewalt und Anarchie sieht Bulabula auch bei den Nachbarländern, die im Ost-Kongo durch Unterstützung von Rebellengruppen und Rohstoffausbeutung eigene Interessen verfolgen.
Nene Morisho vom Pole Institut in Goma berichtet über die Ursachen der Konflikte im Nord-Kivu. Eine davon sei die ungleiche Landverteilung in der Region u.a. zwischen ethnischen Gruppen, die dort seit langem siedeln und denen, die später dorthin zogen. Eine weitere Konfliktursache ist aus Sicht von Morisho der Kampf um die Kontrolle von Rohstoffen. In einem multiethnischen Kontext führt dies zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die sich angesichts fehlender staatlicher Gewalt kaum befriedigen lassen. Ein weiterer Konflikttreiber ist die Verbreitung von Falschinformationen, durch die die Bevölkerung manipuliert und aufgewiegelt wird. Bisher durchgeführte Demobilisierungsprogramme für ehemalige Kindersoldaten und Milizen sind aufgrund fehlender Reintegrationsprogramme gescheitert. Frauen, die eine Rolle in der Friedensarbeit spielen könnten, sind bisher von politischer Partizipation weitgehend ausgeschlossen.
Die Vertreter und Vertreterinnen aus dem Kongo betonen die wichtige und positive Rolle von internationalen Nicht-Regierungs-Organisationen, die die lokale Zivilgesellschaft und die Kirchen im Bemühen um gesellschaftliche Reformen und Veränderungsprozesse unterstützen.
Das Ökumenische Netz Zentralafrika fordert für ein Ende der Gewalt von der kongolesischen Regierung entschiedene Maßnahmen zur Beendigung von Korruption innerhalb staatlicher Organe und Strafverfolgung von Verbrechen durch Armee und Milizangehörige. Daneben sieht das ÖNZ die Regierung in der Pflicht, den tiefer liegenden Ursachen von Gewalt, wie den unzureichenden Zugang zu Land und die ungerechte Verteilung der Einnahmen aus Rohstoffen, mit politischen Reformmaßnahmen zu begegnen.
Das ÖNZ erwartet von der internationalen Gemeinschaft, dass sie die Regierung im Kongo bei der Reform und dem Aufbau von Sicherheitskräften, eines Justizsystems und weiteren staatlichen Institutionen unterstützt. Dazu müssen auch die Nachbarländer einbezogen und, gegebenenfalls unter Druck, dazu veranlasst werden, den illegalen Handel mit Ressourcen aus dem Kongo über ihre Territorien hinweg zu unterbinden.
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) unterstützt Kirchen in der Region durch humanitäre Hilfe, Projekte zur Armutsbekämpfung und Friedensarbeit. Dr. Jochen Motte, Mitglied des Vorstands und Verantwortlicher für die Menschenrechtsarbeit der VEM, befürchtet, dass die anhaltende Gewalt nach so vielen Jahren international als „Normalzustand“ geduldet und akzeptiert wird, zumal die westlichen Medien kaum über die Situation der betroffenen Menschen im Ost-Kongo berichten. „Zum Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung angesichts unzähliger ermordeter und vertriebener Menschen muss die internationale Gemeinschaft sich noch stärker als bisher diesem vergessenen Konflikt zuwenden und zu Lösungen beitragen, die den Menschen vor Ort Sicherheit garantieren und Zukunftsperspektiven eröffnen. Dabei sollte sich die Europäische Union an vorderster Stelle mitengagieren, werden doch die aus der Region illegal ausgeführten Rohstoffe vielfach in Produkten verarbeitet, die hier in Europa und Deutschland konsumiert werden,“ erläutert Dr. Motte.
Das ÖNZ-Dossier kann hier heruntergeladen werden.
Online-Redaktion
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