13.01.2019
Rund 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen vom 11. bis 12. Januar zum Länderseminar Indonesien nach Wuppertal. Als kreativen Einstieg in das entwicklungspolitische Seminar gab der ökumenische Mitarbeiter Pfarrer Favor Bancin aus Indonesien eine Einführung in die indonesische Textilfärbetechnik der Batik, die von den Teilnehmenden anschließend im Selbstversuch angewendet wurde. Die indonesische Batik zeichnet sich durch eine Vielfalt von traditionell vorgegebenen, oft religiös oder kulturell konnotierten Motiven und Farben aus. "Fast jede der rund 6100 Ethnien hat mittlerweile ihr eigenes Batikmotiv entwickelt," erklärte der aus Nord-Sumatra stammende Theologe im javanischen Batik-Hemd.
Auf die neue Regierung warten schwierige Herausforderungen
Bezugnehmend auf die für den 17. April anberaumte Präsidentschaftswahl in Indonesien hob Bancin die große Bedeutung des Wahlausgangs für die künftige politische, soziale, wirtschaftliche und menschenrechtliche Ausrichtung des weltweit größten Inselstaates hervor. Folgende wichtige Herausforderungen kommen seiner Ansicht nach in den nächsten fünf Amtsjahren auf die künftige Regierung zu: Der Umgang mit Naturkatastrophen. Die Tatsache, dass viele der Inseln entlang des pazifischen Feuerrings angesiedelt sind, führt zu häufigen Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis mit oftmals großer Zerstörungskraft, die für die jeweils betroffenen Menschen in vielfacher Hinsicht existenzbedrohend sind. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen. Indonesien gilt seit jeher als religiös tolerantes und friedfertiges Land. Nicht selten verlaufen die religiösen Grenzen innerhalb der Familie, ohne dass dies zu religiösen Konflikten führt. Ein wichtiger Garant für diesen Frieden ist das Staatsmotto "Vielfalt in Einheit", dem gegenüber sich Regierung und Staatsbürger verpflichtet fühlen. Mit dem Einzug eines zunehmend extremistischen Islams nach Indonesien wird dieses friedliche Miteinander seit einiger Zeit auf die Probe gestellt. Die Einführung der Schariah-Gesetzgebung in einigen Provinzen, das Anzünden von Kirchen unter fadenscheinigen Vorwänden und das Verbot christlicher Gebräuche nennt Bancin als Beispiele für eine zunehmende religiöse Intoleranz. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist die von extremistischen Kräften unterstützte Einführung einer einheitlichen Kleiderordnung nach arabischem Vorbild, die das Tragen eines Kaftans für Frauen und Männer vorsieht. Und hier kommt die Batik wieder ins Spiel: Dies führe nach Bancins Beobachtung bei Indonesiern zu der Sorge, dass die beliebte Batikkleidung bald durch das arabische Gewand zurückgedrängt werde. "Die Batik ist ein offener Raum als Ausdruck vielfältiger und verschiedener Religionen, Traditionen und Ethnien," so Bancin. Auf diese Weise wird das Tragen des Batikhemdes heute zu einem politisch-religiösen Statement.
Sozialphilosoph Franz Magnis-Suseno aus Indonesien per Skype zugeschaltet
Am zweiten Tag des Seminars beschäftigte sich die Gruppe mit konkreten Fragen rund um die demokratische Entwicklung Indonesiens und mögliche Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Joko Widodo, der mit dem islamischen Konservativen Ma'ruf Amin als Kandidaten für den Vize-Präsident ins Rennen geht. Als politische Alternative bieten sich der für frührere Menschenrechtsverletzungen verantwortliche Ex-General Prabowo Subianto und sein Vize-Kandidat Sandiaga Uno an. Der in Indonesien lebende katholische Theologe und Sozialphilosoph Franz Magnis-Suseno war dem Seminar per Skype aus dem PGI-Büro in Jakarta zugeschaltet, um den Einfluss radikaler islamistischer Kräfte auf den Pluralismus und die Einhaltung der Menschenrechte durch die zur Wahl stehenden Politiker zu bewerten. Seiner Einschätzung nach ist die Lage in Indonesien noch lange nicht mit jener in Pakistan oder Afghanistan zu vergleichen, aber die Sorge, dass mit den nächsten Wahlen demokratiefeindliche Kräfte an die Macht kommen, wächst. Die Arabisierung der indonesischen Gesellschaft biete dem katholischen Theologen zufolge jedoch auch die Chance einer überkonfessionellen und gemeinsamen Gegenbewegung. Der Wahlausgang im April werde entscheiden, welche gesellschaftspolitische Richtung das größte muslimische Land einschlägt. Zum Abschluss des Seminars äußerten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Hoffnung dahingehend, dass die Politik in Indonesien auch in Zukunft in der Lage sein werde, die Minderheiten des Landes unter Schutz zu stellen, um so die "Vielfalt in Einheit" weiterhin zu gewährleisten. Dr. Martina Pauly